Über den Blödsinn der Selbsthilfe-Industrie

Kein Mann ist eine Insel heißt es so schön. Da wird der Mensch bei seiner Geburt einfach so ins Leben geworfen wie es einen Passagier eines Schiffes bei rauer See über Bord wirft. Am Anfang noch im kleinen Rettungsboot geschützt durch Vater und Mutter vergeht die Zeit wie im Fluge und er wird flügge. Und so treibt der Mann wie auf hoher See von Planke zu Planke, an die er sich klammert, immer auf der Suche nach dem rettenden Eiland. Die See wird rauer und seine Wünsche schrumpfen vom Festland zu einer kleinen Insel und dann zu einem kleinen Boot. Man nimmt alles, nur um endlich aus dem kalten Wasser kommen!

Und plötzlich hängt man im Netz der Selbsthilfe-Industrie, die einem alles verkauft, nur keinen guten Rat. Doch warum ist die Wirkung dieser Selbsthilfe-Sachen fast immer gleich Null? Was macht Sie so ineffektiv? Und warum werden Sie trotzdem noch gekauft?
Eigentlich ist es ganz einfach. Da die Welt immer weniger feste Regeln zu haben scheint (wobei in Wahrheit die alten Regeln noch gelten, es sagt Sie nur keiner mehr offen) suchen immer mehr Menschen nach einer Hilfe für Ihr Leben. Früher wandte man sich an seinen erweiterten Familienkreis, Arbeitskollegen und seine wenigen Freunde. Da die meisten Familien heute jedoch in Ihren Verbindungen zerbrochen sind, die Freunde sind mehr, aber die Freundschaften oberflächlicher geworden und die Arbeitskollegen noch unwissender wirken als man selbst fallen diese Wege jedoch flach.
Ausserdem ist es viel angenehmer, den Rat eines Fremden im Internet zu holen, als sein Herz einem guten Bekannten auszuschütten.

Also macht man sich auf in die Buchhandlung, oder moderner, das Internet auf der Suche nach Erfüllung.
Und schon landet man bei den breiten Regalen der Selbsthilfe-Industrie. Egal ob Buch, Podcast, Filme, Coaching, Blogs oder Youtubevideos, für jeden Geschmack gibt es scheinbar die perfekte Lösung. Jedes Jahr erscheinen so tausende Bücher, Filme etc., alle mit dem einfachen Versprechen, das Leben zu verbessern. Die „Potentiale zu entfesseln“.
Nur leider ist meist das einzige, was sich bessert durch diese Machwerke die Kasse des Autors. Vor 150 Jahren hätten diese Leute noch Schlangenöl und Zauberbohnen verkauft. Man glaubt Ihnen Ihre Versprechen jedoch trotzdem. Denn wie könnten sich ganze Verkaufsregale zu dem Thema Selbsthilfe füllen, wenn es alles nur Blödsinn ist?

Die erschreckende Wahrheit? Das Thema ist richtig und wichtig. Früher oder später ist jeder Mensch einmal auf Hilfe angewiesen. Nur die Bücher etc. dazu sind Müll. Das kommt daher, dass es verdammt schwer ist, einen guten Ratschlag zu geben, aber verdammt einfach, eine Motivationsrede zu halten. Und nichts anderes macht das gros dieser Publikationen.
Du hast die Macht! Das einzige, was dich zurückhält ist deine Einstellung! Fühle das Feuer in dir! Man fühlt sich für einen Moment unbesiegbar und möchte die Welt erobern. Nur leider ist es gleich am nächsten Tag schon wieder vorbei, wenn das gute Gefühl nachlässt. Denn dann merkt man, dass man genau so schlau ist wie zuvor.
Der Autor dieses Artikel hat zwar nur ein paar wenige Publikationen dieser Art gelesen/angesehen, doch diese Probleme gelten scheinbar universell für diese Branche. Gib den Leuten ein gutes Gefühl mit leeren Plattitüden.

Was einen tatsächlich weiterbringt ist jedoch nicht Motivation alleine und erst recht keine leeren Sprüche. Selbstvertrauen kann man nicht durch Motivationsreden bekommen. Selbstvertrauen bekommt man dadurch, dass man Dinge tut. Ein Auto repariert sich nicht durch Motivation, wenn man nicht mal weiß, wie man einen Reifen wechselt. Ein höheres Gehalt bekommt nur der, der auch etwas dafür leistet, nicht wer sich vor dem Gespräch am stärksten hochgepuscht hat.

Im Endeffekt trägt diese Industrie den falschen Namen. Die Selbsthilfe-Industrie sollte eigentlich Motivationshilfe-Industrie genannt werden.
Wenn man sich wirklich selbst helfen will, dann geht man ein paar Regale weiter und sucht sich Bücher, Videos etc. aus zu den Themen, wo es einem mangelt. Ganz einfach und ganz direkt. Man will besser aussehen? Es gibt eine Menge Bücher zum Thema, wie man sich gut kleidet in Anzug und Casual. Man(n) fühlt sich nicht ausgefüllt? Eine kurze Internetsuche fördert hunderte Vorschläge für Hobbys zutage. Man fühlt sich schwach? Kampfsportschulen und Fitnessstudios gibt es an jeder Ecke. Man fühlt sich nicht selbstständig genug? Dann macht man einfach etwas, das man nicht kann. Wie sein Auto reparieren nach Anleitungen, einen Boden verlegen, wie es im Buche steht oder 2 Kochbücher wälzen und so weiter und so fort.

Selbsthilfe bedeutet eben Expertise aneignen und etwas selbstständig machen. Das steht schon so im Namen. Man hilft sich selbst. Natürlich sind die Ergebnisse am Anfang nie so, wie man es sich gewünscht hat, aber das gibt sich schnell. Jeder Fehler ist nur ein Weg zu lernen und hilft einem, später größeres zu stemmen. Und die Erfahrungen wandeln sich dann zu weltgewandter Klugheit im Alltäglichem. Die alten Griechen nannten das Phronesis.

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