Hatte Twilight etwas Gutes für den Vampirmythos?

Wenige Monster haben es geschafft, über Jahrhunderte hinweg die Fantasy so zu beflügeln wie der Mythos des Blut trinkenden Unsterblichen. Nosveratu, der Wiedergänger.
Von einer Sage, durch Bram Stoker zum Bestseller, über hunderte Bücher, Theaterstücke, Filme, Hörbücher und Videospiele zur Popkultur der 90er Jahre hat der Vampir bereits viele Veränderungen durchgemacht. Je nach Taboo der jeweiligen getrieben von fast sexueller Gier, Lust an Gewalt, Gier nach Macht oder dem für und wieder einer verdammten Existenz, für die es kein Leben nach dem Tod mehr gibt. Und in einer grausigen Phase zwischen 2008 und 2014 als glitzernde Diskokugel. So wird eine Midlifecrisis für Vampire aussehen.
In den 90ern war der Vampir ja fast allgegenwärtig, meist als Untoter Gentleman, als frischer Wind für diverse andere Genres oder einfach dadurch, dass man alle Grufties und Emos für verkappte Möchtegernvampire hielt. Warum die allgegenwärtigen Emos und Gufties der 90er verschwunden sind ist ein Thema für ein anderes Mal.
Dann kam Twilight. Plötzlich gab es nur noch einen Vampir und der musste glitzern, auf gemeinsame Sonnenuntergänge stehen und eine nicht zurechnungsfähige Frau heiraten. Die Vehemenz war erschreckend. Man konnte nichts mehr mit (richtigen) Vampiren genießen, ohne dass nicht jede Frau im Umkreis sich dazu bemächtigt fühlte, darauf hinzuweisen, es wäre nicht wie Twilight und somit schlechter. Auf einmal galten nur noch Twilight Regeln. Warum glitzert er nicht? Warum trinkt er nicht einfach Tierblut? Warum tötet er sein Opfer, anstatt es zu einem Dinner auszuführen?
Natürlich, wie nicht anders bei einem so massiven kommerziellen Erfolg zu erwarten, wurde der Markt kurz nach Beginn des Phänomens mit Tonnen Romanen, Filmen etc. über verliebte Teenagervampire geflutet. Der Todesstoß für einen klassischen Archetyp der Literatur.
Doch dann geschah etwas seltsames. Der Hype brach völlig in sich zusammen und riss den ganzen anderen Müll mit sich in den Abgrund. Niemand interessierte sich mehr dafür; was in diesem Kontext bedeutet, keine Frau interessierte sich mehr dafür. Fragt man diese nun, so kommt sofort die Antwort „Wer liest denn heute noch Twilight?“
Der Trend kam und ging. Doch was hatte er angerichtet? Frauen hatten dem Thema Vampir komplett den Rücken gekehrt und so wurde der Vampirmythos wieder eine Spielwiese der Männer, welche ja noch nie viel mit Twilight anfangen konnten.
Jedoch hatte sich etwas verändert. Plötzlich war alles erlaubt, jede Neuinterpretation gern gesehen, denn alles war besser als Twilight. Der Vampir darf wieder morden, beissen, intrigieren. Animalisches Verlangen statt Blümchensex. Egal auf welchem Medium, Nosveratu drängt zurück ins Mondlicht mit voller Wucht.
Ganze TV Serien widmen sich wieder dem untoten Monster, wie Del Toro’s Horrorserie The Strain, Filme wie das actionreiche und gleichzeitig einfühlsame Dracula Untold werden finanziert und diverse Videospielproduzenten versuchen Ihr Glück mit dreckigen, verkommenen Welten in denen ein moralisch korruptes Monster seine Fänge ausstrecken darf. Selbst wenn Vampire keine wirkliche Rolle in den Geschichten spielen, wird freudig, wie im Fall von Bloodborne, Bram Stokers Bilderwelt zitiert.
Twilights größter Beitrag für den Mythos Vampir besteht wohl darin, diesen für ein paar Jahre so stark verdrängt zu haben, dass die heutigen kreativen Köpfe nun frei sind, den Vampir wieder so zeigen zu können, wie er ursprünglich war. Auf ewig verdammt, zerfressen zu werden von unstillbarer Gier.

 

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