Fechtturniere – Fluch oder Segen?

Wer fechtet geht früher oder später auch auf Fechtturniere. Es macht Spass, man trifft neue Leute und man kann sich mit anderen Menschen messen. Also alles wunderbar? Mitnichten. Es gibt auch einige Probleme mit Ihnen. Manche davon so unauffällig, dass man Sie fast übersieht, wenn man nicht einen Schritt zurück macht und das ganze System mit offenen Augen betrachtet.

Doch zuerst mal zum Positiven:

Turniere geben einem die Möglichkeit, sich mit anderen zu messen. Da die meisten Klubs sowieso nur relativ wenige Mitglieder haben sind Turniere eine großartige Möglichkeit, endlich mal neue Gegner zu treffen und neue Fechtstile kennen zu lernen. Man merkt sonst garnicht, wie sehr man eigentlich (unterbewusst) bereits auf die Stärken und Schwächen der anderen Fechter im Klub eingestellt ist. Auch zeigen einem diese Turniere auch oft Schwächen auf, die bis dahin nicht einmal den Partnern im eigenen Verein aufgefallen sind. Man kann also an seinen Schwächen arbeiten und gleichzeitig neue Tricks von anderen Fechtern lernen.

Man lernt auch neue Menschen kennen, kann neue Freundschaften knüpfen. Gerade, wenn man öfters Turniere besucht wird man feststellen, dass man manche Kameraden immer wieder trifft. Die stellen das natürlich auch fest, wenn ein neues Gesicht Ihnen plötzlich immer wieder begegnet und so zu einem vertrauten Gesicht wird. So entwickelt sich allein schon ein Band des gegenseitigen Respekts. Man weiß wie gut der jeweils andere ist und man weiß, wie ernst er es nimmt mit dem Training. Jeder respektiert einen hart arbeitenden Menschen.

Natürlich macht es auch unheimlich viel Spass, etwas neues zu erleben. Kein Turnier ist genau gleich, auch wenn Sie sich ähneln. Es gibt immer eine gewisse Unsicherheit, immer etwas unvorhergesehenes. Für die Neulinge ist es ein kleines Abenteuer und für die alten Hasen ein Event.

Sie geben einem auch ein gutes, konkretes Ziel, auf das man hinarbeiten kann. Die Motivation, mehr zu trainierten oder an seinen Schwächen zu arbeiten ist einfach bedeutend höher, wenn ein Turnier ins Haus steht.

Soweit so gut, doch wo liegen die Probleme?

Das größte Problem ist, dass man seine Techniken bewusst oder unbewusst darauf optimiert, möglichst viele Treffer im Turnier zugesprochen zu bekommen. Warum ist das schlecht? Da man sich so eine Menge Handlungsweisen angewöhnt, die einem in einem realen Kampf umbringen würden.  (Natürlich steht da die Frage im Raum, ob Fechten realistisch sein muss. Da spaltet sich die Fechtgemeinde in 2 Lager. Doch das führt hier zu weit und ist besser in einem anderen Artikel aufgehoben)

Vieles, was man heute auf Turnieren sieht ist eine Ausgeburt der cleveren Ausnutzung der Regeln. Hier ein paar Beispiele:

-Man dreht den Oberköper fast komplett seitwärts, um eine möglichst geringe Angriffsfläche zu bieten. Würde man jedoch so von einer scharfen Waffe getroffen werden, würde der Schaden an Organen noch viel stärker ausfallen, da man so z.B. beide Nieren mit einem Stich treffen kann. In einem realen Kampf wurde deswegen immer eine 90 Grad Stellung bevorzugt.

– Der Peitschenhieb mit dem Florett funktioniert nur, da die Übungswaffe so biegsam ist. Eine echte Waffe war jedoch absolut steif. Es wäre schlicht unmöglich, das Manöver erfolgreich mit einer echten Waffe zu machen. Ausserdem stellt sich die Frage, ob man das überhaupt einlernen sollte, da man später vielleicht auf den Degen wechselt, wo diese Technik ebenfalls nicht mehr funktioniert. Damit öffnet man sich dann nur noch für eine Riposte.

– Degenfechter, die  selbstmörderisch auf einander einstürmen, um möglichst viele Double zu erzielen. Im echten Leben wären danach beide tot.

– Säbelfechter, die immer sofort und gleichzeitig mit einem Sprung von der Startlinie angreifen. Die Zeitlupe soll dann sagen, wer den Bruchteil einer Sekunde schneller war und deswegen wegen dem Angriffsvorrecht den Treffer zugesprochen bekommt.

(man vergleiche dies mit einem richtigen Duell…)

Gerade die letzten beiden Regelauslegungen sind Teile des Grundes, warum viele Nichtfechter kein Interesse an dem Sport haben. Viele Menschen sind durchaus interessiert an dem Wissen, wie man Schwertern kämpft. Doch dann sehen Sie im Fernsehen Turniere, in denen die Gegner immer in Arten angreifen, die im richtigen Leben Selbstmord wären. Der Nichtfechter sieht das, denkt sich „das ist kein echtes Fechten“ und probiert Fechten erst gar nicht aus oder geht in einen HEMA Klub.

Die FIE (Fédération Internationale d’Escrime) ist dabei auch keine Hilfe. Über die Jahre liefen die meisten Regeländerungen nicht darauf hinaus, ein schönes Fechten zu gewährleisten, sondern den Sport „Publikumsnäher“ zu machen. Dass die meisten Zuschauer jedoch Kämpfe bevorzugen, die näher an alten Duellen sind wollen Sie einfach nicht sehen. Da wurden mal Masken eingeführt mit Plexiglasfenstern, da man dachte, der Zuschauer könnte sich so besser mit dem Fechter identifizieren. Die verschwanden aber gleich wieder vom Markt, als die Scheibe bei ein paar Gefechten einfach aus der Halterung sprang. Ausserdem hat es das Publikum herzlich wenig interessiert, ob die Fechter nun in schwarz vergitterten, oder in den befensterten „Schweißermasken“ fechten.

Damit ja kein spannendes taktieren möglich ist, werden immer neue Regeln gegen „Inaktivität“ eingeführt. Schneller, schneller, schneller heißt die Devise. Dass Fechten eigentlich „Die Kunst zu treffen ohne getroffen zu werden“ ist, scheint man inzwischen geflissentlich vergessen zu haben.

Das alles führt dann zu unglaublich schnellen und doch langweiligen Fechtszenarien, bei denen Degen- und Säbelfechter einfach aufeinander zustürzen, um sich einen Double oder eben einen Treffer nach Angriffsvorrecht zu sichern, auch wenn man selbst mit voller Wucht getroffen wurde.

Soll man deswegen alle Turniere meiden? Nein, mitnichten. Man sollte sich jedoch genau klar sein, worauf der eigene Fokus liegt. Nicht jede Technik, die einen höher auf dem Treppchen platziert ist auch eine gute Fechttechnik und nicht jede gute Fechttechnik platziert einen auch höher unter dem momentanen Reglement.

Wer gutes Fechten danach beurteilt, wie hoch man unter den gerade gängigen Regeln nach oben kommt, für den sind Fechtturniere uneingeschränkt zu empfehlen.  Sie können da nur gewinnen und sei es auch nur an Erfahrung.

Wer hingegen gutes Fechten danach beurteilt, wie nahe es an den Kampftechniken der alten Fechter ist, welche damit um Ihr Leben kämpfen mussten, für den liegt es etwas anders. Auch für diese Fechter sind Turniere etwas Gutes, doch Sie dürfen sich nicht von den Punkten und der Platzierung kirre machen lassen. Stattdessen sollten Sie auf Ihr eigenes Verhalten im Kampf achtgeben und bewusst darüber nachdenken, ob diese oder jene Technik nun realistisch (also das eigene Leben schützend) ist oder nicht. Da sind Sie Ihr eigener Obmann.

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